August 18, 2015

simon-dach-straße, berlin




So, jetzt wisst ihr auch, wo ich die letzten (fast) zwei Jahre in Berlin verbracht habe... trotz der Tatsache, dass diese Straße namentlich in allen Berlin-Reiseführern als "Ausgehmeile" genannt wird, sind wir voller Enthusiasmus unser Berlin-Abenteuer zu beginnen dorthin gezogen. Wir haben halt keine Reiseführer bei der Wohnungssuche konsultiert. Wir fanden vor allem die Wohnung gut und sie war für uns verfügbar! (wie das aussah? schaut mal hier!>>>) Praktischer Grundriss, Supermärkte in der Nähe, gute Anbindung zum ÖPNV, Späti quasi im Haus und jede Menge Restaurants in Laufnähe, die nur auf uns als Test-Esser warteten. Preislich war's voll im Budget - zehn Quadratmeter mehr für fast 400 Euro weniger als in Paris?! Klasse! Die belebte Straße kann man ja vom Schlafzimmer aus, das gen Innenhof liegt, gar nicht hören. Bei der Besichtigung sah alles sehr nett aus... Natürlich war die Straße gut besucht, aber wir lebten uns schnell gut ein und schliefen auch gut. 
Dann kam der Frühling. Sobald die Temperaturen warm genug wurden, füllten sich die Terrassen. Ob die alkoholisierten Rufe, Gesänge und Diskussionen von der Cocktailbar schräg gegenüber, zwei Häuser weiter, vom Inder, vom Späti oder der Bar auf der anderen Seite kamen, war eigentlich egal. Sie waren überall, weil ihr Echo stetig zu uns heraufhallte. Das ruhige Schlafzimmer war irgendwann nur noch mit geschlossenen Fenstern zu ertragen, weil der Inder gern auch mal halb zwei Abfälle lautstark im Innenhof entsorgte, der Späti mit Flaschenkästen rumklapperte und die AirB'n'B Wohnungen im Nebenhaus oft von enthusiastischen Philosophen, die am offenen Fenster spannende laute Gespräche führten, oder party-wütigen Bassliebhabern, die ihre 48-Stunden-Berlin-Feier ziemlich intensiv genossen, bevölkert wurde. 
Zuerst überlebten wir das ganz gut. Dann muss man halt mal quer über den Balkon rufen, dass Didgeridoo-Spielen dienstags um Mitternacht nicht so toll ist. Man lernt auch die neugierigen Blicke zu ignorieren, wenn man sich mit Toilettenpapier unterm Arm durch die Gäste schlengelt, die sich mal wieder vor die Tür gesetzt haben. Wenn man aber konstant über mehrere Wochen unachtsamen Menschen ausgesetzt ist, sich ständig durch Massen kämpfen muss, um zur eigenen Haustür zu kommen, mit Bässen gequält wird, gegen die man gar nichts tun kann, weil sie vom Nebeneingang kommen, ist das ein bisschen ziemlich genau wie Folter.

Ich habe hier gelernt, Menschen nicht mehr so richtig zu mögen und dass Schlafentzug mich richtig richtig ungemütlich macht. Natürlich bin ich auch schon mal in einer lauen Sommernacht durch eine Stadt gezogen und hab' mich unbesiegbar gefühlt oder hab' Musik mal zum Mitsingen (im Auto) laut aufgedreht... in dieser Straße hatte ich allerdings oft den Eindruck, dass "alles irgendwie egal ist - ist doch Berlin!" (sprach's während er/sie/es eine Flasche auf dem Gehweg zerschmettert und aus vollem Hals eine Nationalhymne anstimmt). Wenn ich mich drüber beschwert habe, kam auch gern mal ein "selbst schuld" zurück - wäre ich halt nicht da hingezogen/sollte ich halt umziehen. Püh, als ob das einfach wäre.
Wenn ich also mal in einer fremden Stadt um die Häuser ziehe, werde ich bestimmt nicht wieder vergessen, dass in diesen Straßen auch Menschen wohnen, die früh aufstehen und zur Arbeit/zum Kindergarten/in die Schule/... müssen, die ihren Schlaf brauchen und sich über ein bisschen Respekt und Achtsamkeit freuen...


Well, now you know where i spent the last (almost) two years in Berlin... despite the fact that this street is mentioned in about every Berlin guide as something of a party street, we moved there eager to start our Berlin adventure. We just didn't consult travel guides while on the apartment hunt. There was a flat that was available for us and looked nice enough (how? have a look here! >>>). A practical floor plan, supermarkets nearby, good connection to public transport, shops and restaurants all around that just waited to be tested by us. The price was right in our budget - ten square feet more for about 400 Euros less?! Awesome! The lively street should not be a problem when the bedroom is facing away from it to the inner courtyard... there were a lot of people of course but we settled in just fine and slept well.
Then spring came. As soon as the temperatures go warm enough the street filled up. Wether the alcohol scented shouts, songs and discussions came from the cocktail bar across the street, two houses further, the Indian restaurant or the other bar didn't really matter. Their echos constantly buzzed around and hit us even on the fourth floor. At some point the calm bedroom was bearable only with its windows closed - because the Indian restaurant loved to get rid off their trash at two in the morning, bottles rattling and the AirB'n'B flats next doors often hosted enthusiastic philosophers who loved noisy discussions on their opened windows during the night or bass lovers who celebrated their 48hour Berlin party quite intensely.
At first we survived rather well. Sometimes you just gotta be that crazy looking woman shouting across balconies that playing the didgeridoo at midnight on a Tuesday is not that cool. You also learn to ignore the curious looks when you fight your way through guests that are blocking the door again - with toiletpaper under your arm. But, honestly, when you're constantly exposed to people who just don't give a damn, when you're always fighting with the masses just to get home, when you're tormented by loud bass heavy music and can't do anything about it coz it comes from next doors... well, then it's a little bit exactly like torture.


"a normal Wednesday night" 
(beginning of June, around 9pm)


Living in this street i learned to like people a little less and that i am a real bitch (yeah, even more than usual) when i'm being deprived of my sleep. Of course i've enjoyed a nice summer night feeling like a hero or listened to music real loud (in a car) to sing a long... but here i often had the impression that people just didn't care "it's Berlin after all!" (they say while smashing a glass bottle and bawling some unrecognizable hymn). Sometimes when i talked about my worries people told me that it's kinda my own fault - i shouldn't have moved there or just find another place. Pah, as if that would be so easy!
So when i'll hit the town one day in another city i'm pretty sure i won't forget that actual people are living there who have to get up early and go to work/kindergarten/school/..., who need their sleep and are happy about a little respect and mindfulness.



6 Kommentare:

  1. Ach herrje...
    ist ja unverschämt..
    gerade, wenn ich irgendwo nur zu Gast bin achte ich doch darauf höflich und rücksichtsvoll zu sein...
    pff.. Leute gibts...


    Viele liebe Grüße

    Franzy

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  2. Danke!!! Ich wohne (wenn in Deutschland) in genau so einer Strasse und kann ein Lied von singen - manchmal möchte Man einfach Amoklaufen aber so richtig viel Verständnis trifft man selten an, leider. Hoffe ihr habt nun eine ruhigere Wohngegend gefunden.

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  3. Ich habe das komplette Studium und noch ein paar Monate länger mitten auf der Partymeile aka Markt gewohnt. Hielt ich anfangs für ne meeega Idee, aber Klopapier durch die feiernde Menge tragen war mir auch sehr unangenehm :D

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  4. Sehr schöner Beitrag, wirklich. Ich fühl mich richtig heimelig, wenn ich den so lese. :3 (auch wenn ich da nicht wohne, aber so ein bisschen ist es hier in Wedding auch. Wenn auch weniger touristisch vielleicht.)

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  5. Ohja, das ist krass. Ich hoffe, in der neuen Bleibe wird das alles viel, viel besser!

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  6. Nun ist es überstanden!! :-) und schön geschrieben, wenn es auch laut war :D

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thanks for taking the time to leave a comment!